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Herausforderung Strukturwandel: Volle Energie für Brandenburg

Mehr als ein Zehntel der in Deutschland verbrauchten Energie wird in Brandenburg produziert. Mit einem Mix aus erneuerbarer und konventioneller Energie muss Brandenburg verlässlicher Lieferant von bezahlbarem und umweltverträglichem Strom aus heimischen Quellen sein. Hierfür gilt es auf europäischer Ebene die richtigen Weichen zu stellen.

Ich bin Koordinator der EVP-Fraktion im Industrieausschuss des Europäischen Parlaments. In dieser Funktion ist es mir – zusammen mit meinen Kollegen der EVP-Fraktion – gelungen, die Maßnahmen zur Strukturentwicklung von Beginn an auf den Erhalt sozialer und wirtschaftlicher Stabilität auszurichten.

Im Mittelpunkt muss dabei die Frage stehen, wie im Zuge des Wandels unseres Energiesystems neue Beschäftigungschancen genutzt werden können. Dazu brauchen wir eine Offensive für Innovation, neue Investitionen und Qualifizierung. Hier sind nun auch die Regionen gefragt, um der Europäischen Kommission Vorschläge zur Förderung geeigneter Projekte zu unterbreiten.

Unterstützung durch die Europäische Union

Doch auch schon heute stehen umfassende finanzielle EU-Mittel für Regionen bereit, die aufgrund des Klimaschutzes vor einem Strukturwandel stehen. Diese fallen in den Bereich der sogenannten Kohäsionspolitik, welche aktuell etwa 20 Prozent der Gesamtsumme bestehend aus dem mehrjährigen Finanzrahmen 2021-2027 und dem Wiederaufbaufonds „Next Generation EU“ ausmacht. Das Parlament wird auch weiterhin starken Wert auf die Unterstützung von Regionen legen, die vom industriellen Wandel betroffen sind.

Dies setzt eine konsistente Strategie für jede betroffene Region voraus, z.B. den Masterplan Lausitz oder die sogenannte „Kohleplattform“ – ein Programm der EU-Kommission, das gezielt Regionen unterstützt, die einen Strukturwandel bewältigen müssen. Die „Kohleplattform“ – von Beginn an eine von der EVP-Fraktion eingeforderte Initiative – soll durch ein faires Verfahren nachhaltig erfolgreichen Klimaschutz ermöglichen. Alle 41 Kohleregionen in Europa arbeiten hier aktiv zusammen. Durch konstruktiven Dialog auf europäischer Ebene kann der Strukturwandel zukunftsfähig und mit maximalen wirtschaftlichen Chancen für die Regionen ausgestaltet werden (so auch etwa im Masterplan Lausitz). Die Regionen sprechen sich mit einer gemeinsamen Stimme für Investitionen in Infrastruktur, Forschung & Innovation und Fortbildungsmaßnahmen aus, damit durch Ansiedlung von Unternehmen in den Kohleregionen eine internationale Wettbewerbsfähigkeit gewährleistet wird. Durch dieses Netzwerk erhöht sich automatisch die Teilhabe der Regionen an der Ausgestaltung des Strukturwandels durch Wissens- und Erfahrungsaustausch, sowie verbesserten Zugang zu technischer Hilfe und Finanzierungsinstrumenten.

Doch damit dies gelingt, müssen alle zusammenarbeiten. Ich fordere deshalb, dass sich Landesregierung, die Regionen und die EU auf die sogenannte Lausitzformel verständigen: Für jedes abgeschaltete Gigawatt Kraftwerksleistung müssen mit staatlicher Unterstützung Investitionen erfolgen, damit eine industrielle Leistung im gleichen Wert ermöglicht wird. Die Studie über die künftige Wasserstoffwirtschaft in der Lausitz (unterstützt von der Zukunftswerkstatt Lausitz und der Wirtschaftsregion Lausitz GmbH) sieht etwa vor, die bis 2038 auslaufenden 6.000 Megawatt Braunkohle Blöcke durch 24 Wasserstoffblöcke zu jeweils 250 Megawatt zu ersetzen. So wäre 1:1 der Erhalt der Industriekapazität und des Energieproduktionsstandortes nach der Lausitzformel gegeben. In jedem Fall soll es Brandenburg ermöglicht sein, auch in Zukunft seinen starken Status in der Energiewirtschaft zu erhalten.

EU-FÖRDERUNG IN ZAHLEN

Im Mehrjährigen Finanzrahmen der EU für die aktuelle Periode 2021-2027 stehen Deutschland 15,5 Milliarden Euro an Fördermitteln zur Verfügung. Für die deutschen Übergangsregionen sind 8,5 Milliarden Euro an Fördergeldern vorgesehen. Das Land Brandenburg wird aus den zwei Fonds EFRE und ESF+ 1,24 Milliarden Euro erhalten, insgesamt 34 Millionen Euro mehr als in der letzten Förderperiode.

Auch aus dem Just Transition Fund (JTF) – eingerichtet für einen gerechten Übergang im Rahmen des Strukturwandels – wird Brandenburg Mittel erhalten. Die genaue Verteilung der 2,24 Milliarden Euro des JTF innerhalb Deutschlands steht derzeit noch aus. Aus dem ReactEU-Programm erhält Brandenburg weitere 64 Millionen Euro. All diese Mittel sollen Brandenburg und Deutschland helfen, die grüne und digitale Wende mit besonderer Beachtung der sozialen Dimension zu vollziehen.

Die Zukunft der Kohle in Brandenburg

Die Braunkohle ist mit einem Anteil von gut 23 Prozent nach wie vor eine tragende Säule der deutschen Stromversorgung. Zudem prägen der Tagebau, die Stromerzeugung und viele davon abhängige Arbeitsplätze die wirtschaftliche Struktur ganzer Regionen – so auch der Lausitz.

Dabei geht es nicht um eine ideologische Infragestellung des notwendigen Ausbaus erneuerbarer Energien, sondern um die Frage der Verhältnismäßigkeit.

Veränderungen gegenüber dem jetzigen Status sollten also nicht nur anhand der Klimaschutzziele und möglicher CO2-Reduzierungen beurteilt werden. Beim Ausbau von erneuerbaren Energiequellen in Brandenburg darf nicht nur auf den zahlenmäßigen Ausbau von erneuerbaren Energiequellen gesetzt werden. Die wichtigen Fragen wie Versorgungssicherheit und Systemintegration müssen ebenfalls beachtet werden. Schon jetzt ist es offensichtlich, dass der nötige Ausbau der Stromnetze nicht mit dem Bau immer neuer Anlagen für Erneuerbare Energie Schritt hält.

Dies führt dazu, dass in Brandenburg bundesweit mit die höchsten Strompreise gezahlt werden. Mir ist wichtig, dass Energie für die Brandenburgerinnen und Brandenburger weiterhin bezahlbar ist!

Viel Potenzial sehe ich in der Forschungs- und Innovationsarbeit. Leider hat Brandenburg noch 2015 den viertletzten Platz unter den Bundesländern eingenommen, wenn es um Forschungs- und Entwicklungsaufgaben geht. Hier hat unser Land noch deutlich Potenzial nach oben, da es nicht an leistungsstarken und aktiven Universitäten und Forschungseinrichtungen mangelt.

Der Ausstieg aus der Kohle ist notwendig, um die gesetzten Klimaziele zu erreichen. Jedoch müssen dieser Ausstieg und der notwendige Strukturwandel gerecht und unter Einbezug aller relevanten Akteure stattfinden. Kohleregionen wie die Lausitz sollen nach den Beschlüssen der Europäischen Kohleplattform Initiative als Modellregionen am Steuer sitzen, denn sie zahlen den größten Preis für diese Wende. Die EU spricht diesen “most affected areas” (den am meisten betroffenen Gebieten) maximale Unterstützung zu. Den Regionen soll es ermöglicht werden, ihre Expertise und innovative Lösungsvorschläge untereinander zu teilen und voneinander zu lernen. Das ultimative Ziel ist es, den Kollateralschaden so gering wie möglich zu halten und die vorhandenen Ressourcen für den Strukturwandel optimal zu nutzen: bereits existierende Anbindung an Industrie-Infrastruktur wie Schienennetze oder den Straßenverkehr, eine hohe Kapazität und Potenzial der Energienetze, motivierte und kompetente Arbeitskräfte, Platz für Unternehmensansiedlungen. Wirtschaftliche Chancen für Brandenburg hängen von der Schaffung realisierbarer und qualitativer Lösungskonzepte ab. Noch mehr als die Zeitachse zählt also der konstruktive europäische Dialog zwischen und mit den Kohleregionen.